Offener Brief der DAH an die Ministerpräsidenten der Länder

Entwurf eines Gesetzes zur besseren Bekämpfung des Einbringens von Rauschgift in Vollzugsanstalten

Drucksache 734/09

Sehr geehrte Herren Ministerpräsidenten,
sehr geehrte Damen und Herren

am 16.10.2009 soll der oben genannte Gesetzesentwurf auf die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates. Hintergrund ist, dass rund 25-30 % der Gefangenen in Justizvollzugsanstalten Drogengebraucher/innen sind und sich damit auch vermehrt Probleme rund um den Drogenhandel im Vollzug stellen. Die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH) sieht viele der in der Begründung zum Gesetzesentwurf dargestellten Probleme in einer ähnlichen Weise, allerdings sind unsere Schlussfolgerungen und Lösungsvorschläge andere, als die nun geforderten Gesetzesverschärfungen.

Nordrhein-Westfalen zeigt in seiner Begründung auf, dass es durch den Drogenkonsum in Haft zu Überdosierungen, Drogentodesfällen und Händlerhierarchien kommt. Auch auf die gesundheitlichen Gefahren wird hingewiesen, da es durch die gemeinsame Benutzung nicht steriler Spritzen und Nadeln zur Übertragung von HIV und Hepatitis unter Gefangenen kommen kann. All dies sieht auch die Deutsche AIDS-Hilfe, aber können die gesundheitlichen Risiken und die weiteren Probleme ernsthaft mit Gesetzesverschärfungen verbessert werden?

Inzwischen gibt es in Deutschland nur noch eine Justizvollzugsanstalt, die den Gefangenen sterile Spritzen gegen bereits Gebrauchte eintauscht (JVA für Frauen, Berlin-Lichtenberg). Dieses Projekt besteht seit über 10 Jahren, und wie auch die Wissenschaftliche Begleitung zeigte, hat sich dieses Projekt als erfolgreich erwiesen. Um die Infektionsgefahren in Justizvollzugsanstalten zu reduzieren, ist eine Ausweitung dieses Angebots auf andere Justizvollzugsanstalten dringend erforderlich. Ferner stellt sich die Substitution mit Methadon oder Buprenorphin als eine weitere Alternative der Infektionsprophylaxe, aber auch zur Reduzierung des Drogenkonsums und in der Folge des Drogenhandels im Vollzug dar. Denn mit einer guten Substitution lässt sich auch die Nachfrage nach illegalen Betäubungsmitteln entsprechend verringern.

Im Januar 2009 wurde im Landtag Nordrhein-Westfalens eine kleine Anfrage zur Substitutionspraxis in Haft gestellt. Danach erhielten 1,64 % der Gefangenen Substitutionspräparate, allerdings wurden nur 0,78% der Gefangenen länger als 6 Wochen behandelt. Demnach werden maximal 0,78 % der Gefangenen substituiert, die restlichen 0,86 % erhalten nur einen medikamentengestützten Entzug. Bedarfsgerecht ist dies bei einem eigentlichen Anteil von 25-30 % der Gefangenen nicht.

Das Ziel „Reduzierung des Drogenhandels im Vollzug“ würde durch eine bedarfsgerechtere Substitution eher und besser erreicht werden als durch eine Gesetzesverschärfung. Ganz nebenbei wäre eine verbesserte Substitutionspraxis auch ein humanitärer Beitrag gegenüber Drogenabhängigen Gefangenen und würde die Anschlussbehandlungen nach Haftentlassung erleichtern und vergünstigen.

Für uns ist es nicht „Ausdruck erhöhter Kriminalität“, dass Menschen Energien in die Beschaffung von Substanzen setzen, von denen sie physisch und psychisch abhängig sind. Setzen Sie sich für die Entkriminalisierung von Drogengebraucher/innen ein und nicht für die Strafverschärfung! Auch in Ihrem Bundesland bedarf es einer verbesserten Substitution und Infektionsprophylaxe in Haft, durch Ihre Unterstützung und Engagement kann dies erreicht werden.

Mit freundlichen Grüßen

Der Bundesvorstand

Kopien an: Rechtsausschuss und Gesundheitsausschuss des Bundesrats; Konferenz der für das Gesundheitswesen zuständigen Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren der Länder (GMK)

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