Das Bundesverfassungsgericht hat am 09. Februar 2010 die Berechnung der Regelsätze nach dem SGB II für verfassungswidrig erklärt (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09). Leider wird in dem Urteil nicht generell der Regelsatz als zu niedrig angesehen, sondern lediglich die Berechnung kritisiert.

Die Bundesregierung ist aufgefordert bis Ende 2010 eine neue Berechnungsgrundlage zu erstellen. Dabei werden schon jetzt Stimmen laut, dass das Urteil nicht unbedingt eine Regelsatzerhöhung mit sich bringen muss. Von Neuberechnung und Sachleistungen ist die Rede.

Auch wenn es erst 2011 eine neue Regelung geben wird: das Bundesverfassungsgericht hat angeordnet, dass unabweisbarer, längerfristiger oder dauerhafter, zumindest regelmäßig wiederkehrender (also nicht einmaliger) Bedarf, der nicht vom Regelsatz gedeckt ist, ab sofort bis zur Anpassung der Regelsatzberechnung direkt aus Art. 1 I GG in Verbindung mit Art. 20 I GG geltend gemacht werden kann.

Dazu haben das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und die Bundesarbeitsagentur (BA) eine erste Härtefallliste zusammengestellt. Darin werden genannt:

o Nicht verschreibungsfähige Medikamente
o Putz- und Haushaltshilfen für Rollstuhlfahrer/innen
o Kosten zur Wahrung des Umgangsrechts
o Nachhilfeunterricht

Folgende Bedarfe können nicht über die Härtefallregelung beantragt werden:
o Die Praxisgebühr
o Brillen, Zahnersatz, etc.
o Schulmaterialien und Schulverpflegung
o Bekleidung/Schuhe in Übergrößen
o Krankheitsbedingter Ernährungsaufwand

siehe auch http://www.arbeitsagentur.de

Einmalig anfallende Leistungen können nicht über diese Regelung beantragt werden. Zur Deckung solcher einmaligen Überschreitungen kommt nach wie vor nur ein Darlehen gem. § 23 Abs. 1 SGB II in Betracht.

Aber diese Liste ist nicht abschließend. Wenn andere Bedarfe laufend und unabweisbar sind, können sie, wenn dies nachgewiesen werden kann, trotzdem beantragt werden. Beispiele könnten unserer Meinung nach sein:

o Die bisherige Deckungslücke der Beiträge zur privaten Krankenversicherung
o Kosten für nicht verschreibungsfähige aber benötigte Arzneimittel
o Kosten für besondere benötigte Hygiene- und Pflegeartikel
o Besonders hohe, krankheitsbedingte Energiekosten
o Fahrtkosten zum Arzt (gerade in ländlichen Gebieten mit großen Entfernungen)
o Fahrtkosten zur Substitution
o Besuche bei inhaftierten Ehepartner(inn)en

Ob die Anträge bewilligt werden, können wir allerdings nicht vorhersagen. Wichtig ist es, nachzuweisen und zu belegen, dass die Kosten laufend, nicht nur einmalig und unabwendbar sind. Und dass sie nicht durch andere Leistungen oder den Regelsatz abgedeckt werden. Es nur zu behaupten wird nicht ausreichen.

Hierbei können ärztliche Bescheinigungen hilfreich sein. Um die benötigte Summe zu ermitteln, sollten die Kosten zur Beantragung detailliert aufgeführt werden. Außerdem müssen die Kosten belegt werden, daher gilt es die Belege zu sammeln und bei Nachfragen vorzulegen. Die Anträge können formlos gestellt werden und sollten sich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts beziehen.

Wir können noch keine Aussage dazu machen, wie die Bewilligungspraxis aussehen wird, ob pauschalierte Summen bewilligt werden oder einzeln abgerechnet werden muss.

Bei der Antragstellung ist zu bedenken, dass die HIV-Infektion oder die Substitution dadurch in der Leistungsabteilung bekannt wird. Ob man dies möchte, muss jede/r für sich entscheiden. Eventuell kann man mit seinem Arzt besprechen, ob es andere Möglichkeiten gibt das Attest zu formulieren.

Eine Idee könnte sein, den Antrag ohne Nennung der HIV-Infektion zu formulieren und das entsprechende ärztliche Attest in einem verschlossenen Umschlag mit der Aufschrift: „Nur vom medizinischen Dienst zu öffnen“ dazu zu legen. Ob diese Praxis ein gangbarer Weg ist, können wir zurzeit noch nicht beurteilen.

Sobald wir neue Informationen dazu haben, werden wir sie hier veröffentlichen.

Ein Muster für einen Antrag gibt es hier.

Wer das gesamte Urteil nachlesen möchte findet es hier:
http://www.bundesverfassungsgericht.de

bzw. die Pressefassung dazu:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen

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1 Kommentar

  1. nun, da das kommentieren beim beitrag zu bb und den fassanellis geschlossen ist, poste ich meinen nachtrag hier.

    sehr erstaunt lese ich, das c.f am 20. 3 in berlin ein konzert gibt, dessen erlös teilweise (=5 euro pro ticket) an die berliner aids-hilfe geht. wie das? ist c.f stillschweigend rehabilitiert oder weiss die berliner aids hilfe davon nichts?

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